6. Dezember 2018

Tonhalle St. Gallen

Abschied von Prag und Robert Jud

Antonín Dvořák (1841–1904)

Klavierkonzert g-Moll Op. 33

Allegro agitato – Andante sostenuto – Finale: Allegro con fuoco

Bedřich Smetana (1824–1884)

Sinfonische Dichtung «Mein Vaterland»

Nr. 1 Vyšehrad – Nr. 2 Die Moldau

Prag! Kulturelles Zentrum Europas. In Prag wurde die erste deutschsprachige Universität gegründet. Prag war die Stadt, in der sich Mozart verstanden fühlte. Für die Prager schrieb er seinen «Don Giovanni» mit dem phänomenalen Finale, dem er für die Wiener noch ein überzuckertes Ende anhängen musste. Und Prag ist die Stadt, in der alle Werke, die Sie in diesem Konzert hören werden, ihre Uraufführung erlebten.

Eines Tages lag in meinem Briefkasten ein kleines Päckchen. Absender: Benjamin Engeli. Inhalt: eine Taschenpartitur des Klavierkonzertes Antonín Dvořáks mit der Bemerkung «das wäre doch mal was». Sollte ich Benjamin einen Wunsch abschlagen? Zu lange währt schon unsere musikalische Freundschaft. Und so starten wir unser sechstes gemeinsames Projekt mit einem Werk, das zu Unrecht nur selten den Weg in die Konzertsäle findet. Aber wenn Sie Benjamin Engeli schon einmal erlebt haben, dann wissen Sie, dass er mit seinem Instrument förmlich zusammenwächst und ihm Klänge entlockt, die in überirdische Sphären führen.

In seiner sechsteiligen sinfonischen Dichtung «Mein Vaterland» schildert Bedřich Smetana in eindrücklichen Bildern die Schönheit seiner Heimat. Ich habe für Sie die ersten zwei Nummern ausgewählt. Beide haben etwas mit Prag zu tun. Da ist zum einen die Burg «Vyšehrad» im Süden Prags. Das Hauptmotiv dieser Musik besteht aus vier Tönen, entsprechend den vier Ecken, die man von aussen von den mächtigen Quadersteinen sieht. Am Anfang erinnert ein Harfensolo an die Gründungszeit im Mittelalter, als noch Minnesänger am Hof auf ihren Harfen zupften. In einem grossen Bogen werden dann der Aufstieg, der Höhepunkt und der Niedergang des die Burg bewohnenden Adelsgeschlechts dargestellt.

«Die Moldau» ist das bekannteste Werk aus diesem Zyklus. Smetana selbst beschreibt in der Partitur die Stationen des Flusses: Die Flöten schildern die erste Quelle, später die Klarinetten die zweite, bis die beiden Gewässer sich zum Flussthema der Violinen vereinigen. Die Hörner leiten eine Jagd ein, danach kommt man bei einer Bauernhochzeit vorbei. Mondschein und Nymphenreigen begleiten eine stille Strecke, die wieder in das Flussthema mündet. Ganz wild geht es bei den Stromschnellen von St.Johann zu, bis dann der breite Strom majestätisch an der Burg Vyšehrad vorbeifliesst und immer leiser wird, je weiter er sich von Prag entfernt. Und so wie die Moldau Abschied von Prag nimmt, so nehme ich mit diesem Konzert Abschied vom Orchester Musikfreunde. Es waren 25 schöne und intensive Jahre, in denen ich mit meinen Leuten musizieren durfte. Ihnen, den Zuhörern, danke ich für die Treue in all den Jahren und hoffe, dass Ihnen das eine oder andere aus dieser Zeit in Erinnerung bleiben wird.

Klavier

Benjamin Engeli

Benjamin Engeli

Benjamin Engeli zählt zu den vielseitigsten Pianisten seiner Generation. Er musiziert in Konzertsälen wie dem Concertgebouw Amsterdam, der Wigmore Hall London, der Sala São Paulo, dem Oriental Arts Center Shanghai oder dem Wiener Musikverein. Als Solist konzertiert er mit Orchestern wie dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Tschaikowsky-Sinfonieorchester Moskau oder dem Tonhalle Orchester Zürich. Zahlreiche CD-Produktionen mit Werken von Joseph Haydn über George Gershwin bis zur neuesten Musik dokumentieren seine grosse stilistische Bandbreite.
Neben seiner solistischen Tätigkeit widmet sich Benjamin Engeli mit Begeisterung der Kammermusik: Als Mitglied des Tecchler Trios gewann er 2007 den ARD-Musikwettbewerb in München, inzwischen führt er mit dem Gershwin Piano Quartet, dem Ensemble Kandinsky und verschiedenen anderen Formationen eine weltweite Konzerttätigkeit. Ab 2009 war er acht Jahre als Dozent für Kammermusik an der Hochschule für Musik in Basel tätig und seit 2013 leitet er eine Klavierklasse am Vorarlberger Landeskonservatorium in Feldkirch.

Benjamin Engeli stammt aus einer Musikerfamilie und begann schon früh, sich für die verschiedensten Instrumente zu begeistern. Er studierte zuerst Horn, konzentrierte sich aber bald auf sein Haupt-instrument Klavier und wurde dabei zu einem grossen Teil von Adrian Oetiker an der Musikakademie Basel ausgebildet. Weitere Studien folgten bei Homero Francesch, Lazar Berman, Maurizio Pollini und Andràs Schiff.

Er ist Vater einer zweijährigen Tochter und lebt mit seiner Familie in Aarau.