11. Dezember 2014
Tonhalle St. Gallen
Von Uhren, Elefanten und Nachtigallen
Edmund Angerer (1740–1794)
Kindersinfonie
Allegro – Menuetto – Allegro moderato
Francis Poulenc (1899–1963)
Die Geschichte von Babar, dem kleinen Elefanten
(Arragement David Matthews)
Joseph Haydn (1732–1809)
Sinfonie Nr. 101 D-Dur «Die Uhr»
Adagio.Presto – Andante – Menuet: Allegretto – Finale: Vivace
Erinnern Sie sich noch, wie uns im vergangenen Sommer von allen Plakatwänden dieses herzige kleine Elefäntchen aus Knies Kinderzoo entgegenlächelte bzw. -rüsselte? Mit der Geschichte seines Verwandten aus dem Urwald mit Namen «Babar» hat der Franzose Jean de Brunhoff im letzten Jahrhundert ganze Generationen von Kindern verzückt – vielleicht auch Sie. Und eines dieser unzähligen Kinder hat seinen Onkel Francis gebeten, ihm diese Geschichte am Klavier zu spielen. Und der liebe Onkel mit Nachnamen Poulenc hat die anfänglichen Improvisationen aufgeschrieben und so der Nachwelt überliefert. Von den drei Instrumentierungen dieses Werkes habe ich diejenige des Engländers David Matthew ausgewählt, die den intimen Charakter des häuslichen Musizierens mit dem Sinn für klangliche Effekte am schönsten kombiniert.
Eine ganze Odyssee von Komponisten hat die «Berchtoldsgaden Musick» erlebt, die seit 1813 unter dem Namen «Kindersinfonie» bekannt ist. Als ich sie vor fast 60 Jahren im Jugendorchester in Brunnen mitspielen durfte, stammte sie noch von Joseph Haydn. Später erfuhr ich dann, dass sie unmöglich von Haydn stammen könne, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Leopold Mozart geschrieben worden sei. Auch Haydns Bruder Michael wurde in Erwägung gezogen. 1996 hat dann die Musikforscherin Hildegard Hermann-Schneider herausgefunden, dass das älteste Manuskript dieser Musik von Edmund Angerer, einem Mönch aus dem Stift Fiecht bei Innsbruck stammt. Womit wieder einmal bewiesen wäre, dass sich Ware, der ein bekannter Name unterlegt ist, besser verkaufen lässt. Und dass unter den Gelehrten nach wie vor über die Entdeckung dieser Dame gestritten wird, muss uns auch nicht wundern. Aber köstlich ist dieses Werk allemal, da es zum normalen Streichorchester Kinderinstrumente wie Kuckuck, Nachtigall, Wachtel, Kindertrompete, Trommel oder Schellenkranz hinzuzieht. Diese Instrumente spielen für uns die Sechstklässler des Schulhauses Grossacker, die von ihrem Lehrer Ueli Bischoff auf diesen Auftritt vorbereitet werden.
Im Gegensatz zur Kindersinfonie ist die Autorschaft Joseph Haydns bei der Sinfonie Nr. 101 unbestritten. Man kennt das Autograph, ja sogar Zeitpunkt und Ort der ersten Aufführung: 3. März 1794 am Hanover Square in London. Haydn selber dirigierte vom Pianoforte aus. Ja, Sie lesen richtig. Damals gab es den Beruf des Dirigenten noch nicht. Man leitete das Orchester wie in der Barockzeit von der Violine oder von einem Tasteninstrument aus. Da geht es mir heute doch besser als Haydn damals. Ich kann mich bei der Aufführung voll auf das Orchester konzentrieren. Der Erfolg der damaligen Uraufführung war riesig. Der erste und der zweite Satz der Sinfonie mussten sogar wiederholt werden. Von diesem zweiten Satz leitet sich auch der Beiname «Die Uhr» her: Das Begleitmotiv des Hauptthemas erinnert an das Ticken einer schönen grossen Wanduhr, wie sie sich auch einer unserer Gönner wünscht. Erwarten Sie jetzt aber nicht, dass alle Sätze eine Hommage an die Uhrenindustrie sind. Das wäre für Haydn auch im Alter von 62 Jahren zu eintönig. Freuen Sie sich vielmehr auf ein Werk voller harmonischer und dynamischer Überraschungen.