15. Dezember 2011
Tonhalle St. Gallen
Zwei Musikfreunde – 3. Jubiläumskonzert
Antonín Dvořák (1841–1904)
Symphonische Variationen Op. 78 über ein eigenes Thema
Johannes Brahms (1833–1897)
Ungarische Tänze Nr. 17–21
Orchestriert von Antonín Dvořák
Andantino – Molto vivace – Allegretto – Poco Allegretto – Vivace
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 2 in D-Dur Op. 73
Allegro non troppo – Adagio non troppo – Allegretto grazioso – Allegro con spirito
«Zwei Musikfreunde»? Zwei Mitglieder unseres Orchesters? Nein! Zwei Komponisten. Schon immer hat mich die Musikfreundschaft dieser zwei herausragenden Musiker, denen ich in jungen Jahren bereits an der Geige und am Klavier begegnen durfte, fasziniert: Der ernste, tiefschürfende Brahms und der musikantische, lebensfreudige Dvořák, hier der norddeutsche Sohn eines Kontrabassisten, dort der böhmische Sohn eines Metzgers und späteren Bratschisten. In unserm Konzert wollen wir diese lebenslange Männerfreundschaft musikalisch nachzeichnen. 1877, als sich die beiden grossen Komponisten zum ersten Mal begegneten, hatten sie gerade je ein grosses Orchesterwerk beendet: Dvořák seine symphonischen Variationen und Brahms seine 2. Sinfonie.
Antonín Dvořák legte seinen Variationen ein Thema aus einem früher von ihm komponierten Männerchor zugrunde, dessen Text auf uns Musikfreunde, die wir immer wieder auf Sponsorensuche sind, so richtig zugeschnitten ist: «Ich bin ein Fiedler, arm am Beutel, und doch lacht mir das Glück, wohin immer ich komme.» Dvořák gelingt es, in diesen Variationen ein unglaublich breites Spektrum an musikalischen Einfällen zu präsentieren. Von der melancholischen, breit getragenen Melodie bis hin zu einem Walzer oder einem Scherzo, in dem übrigens auch das Triangel eingesetzt wird, sind alle Facetten musikalischer Fabulierkunst vertreten. Ja selbst in der abschliessenden Fuge gelingt es Dvořák, die strengste aller musikalischen Formen mit tschechischer Volksmusik aufzulockern. Brahms hat Dvořák für diese Variationen «eine wunderschöne Cigarrenspitze» geschenkt.
Aus drei Tönen, die am Anfang des ersten Satzes von den Celli und den Kontrabässen vorgetragen werden, entwickelt Johannes Brahms in seiner zweiten Sinfonie ein komplexes musikalisches Gebäude, das den Spieler wie den Zuhörer gleich von Anfang an in seinen Bann schlägt. Ganz streng nach den Regeln des klassischen Aufbaus eines sinfonischen Werkes gebaut, gelingt es Brahms dennoch, seine ihm ganz eigene Tonsprache zu verwirklichen. Im grossen Bogen führt er vom ausladenden ersten Satz über den grüblerischen zweiten und den verhalten tänzerischen dritten zum alles überstrahlenden letzten Satz, der ganz im Sinne Beethovens alles Dunkel von einem hellen Licht überstrahlen lässt. Brahms hat diese Sinfonie 1877 im Sommer in Pörtschach am Wörthersee komponiert. Ob sie wohl deshalb so viel Wärme ausstrahlt?
21 ungarische Tänze hat Brahms insgesamt komponiert, alle für Klavier vierhändig. Drei davon hat er selber für grosses Orchester instrumentiert, die restliche Arbeit überliess er dem schwedischen Komponisten Andreas Hallén sowie seinem deutschen Kollegen und Kapellmeister der preussischen Armee Albert Parlow, dessen Amboss-Polka noch Weltruhm erringen sollte. Schliesslich orchestrierte dann Antonín Dvořák 1880 die letzten fünf Tänze. Sie bilden seither ein lebhaftes Zeugnis für die gegenseitige Zuneigung und Anerkennung zweier Musikfreunde.