13. Januar 2011
Tonhalle St. Gallen
Aus dem Archiv der Musikfreunde – 1. Jubiläumskonzert
Johann Christian Bach (1735–1782)
Sinfonie in B-Dur
Allegro assai – Andante – Presto
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Balletmusik zur Pantomime «Les petits riens» KV-Anh. 10
Ouverture (Allegro) – Andantino attacca Allegro – Larghetto – Gavotte joyeuse – Gavotte gracieuse – Pantomime – Gavotte
Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Brandenburgisches Konzert Nr. 3
Tempo giusto – Adagio – Allegro
Carl Maria von Weber (1786–1826)
Ouvertüre zum Singspiel «Abu Hassan»
Jean Sibelius (1865–1957)
Valse triste
Alexandre Luigini (1850–1906)
Ballet égyptien
Allegro non troppo – Allegretto – Andante sostenuto – Andante espressivo attacca Allegro non troppo
Im Notenarchiv der Musikfreunde zu wühlen, ist ein eigenartiges Gefühl. Was hat unsere streichenden und blasenden Vorfahren bei der Auswahl der aufzuführenden Werke bewegt? Mein Grossvater war damals, als unser Orchester gegründet wurde, in seinen besten Lebensjahren als Lehrer und Kirchenmusiker in Untereggen tätig. Ob er dort auf dem Land etwas von der Gründung mitbekommen hat? Als Mann hatte er einen Schnauzbart, als Dame verhüllte meine Grossmama die Beine mit einem langen Rock. Durfte man im ausgehenden viktorianischen Zeit- alter überhaupt das Wort Beine bei einer Dame in den Mund nehmen …?
Und so lassen wir uns zurückfallen in vergangene Zeiten – zum jüngsten Bach, Johann Christian, mit Mozart befreundet. Seine Sinfonie erschien gedruckt erst wieder im Jahre 1925, die handschriftlichen Stimmen liegen in der Bibliothek des Klosters Einsiedeln. Das Werk ist als Ouvertüre zur Oper «Lucio Silla» gedacht, deshalb spielen wir diese Musik auch ohne Pause zwischen den einzelnen Sätzen.
Dann zu Wolfgang Amadeus Mozart, der in Paris so wenig Anerkennung fand, dass er froh sein musste, einige Stücke zur Pantomime «Les petits riens», «Die kleinen Nichtigkeiten», beitragen zu dürfen. Wir spielen im Konzert nur jene Tänze, die wirklich vom Genie selbst stammen, und lassen den unbekannten Komponisten der anderen Teile links liegen.
Und schliesslich der alte Bach, Johann Sebastian, der Altmeister und unangefochtene Könner in allen Musikbereichen. Im Archiv liegen vom 3. Brandenburgischen Konzert für jedes einzelne Streichinstrument mehrere Stimmen vor, so dass ich annehmen muss, dieses konzertante Werk sei früher von den Musikfreunden orchestral aufgeführt worden. Wir führen es genau so auf. Allerdings erlaube ich mir, in Anlehnung an das Original, einige Stellen solistisch zu spielen, so dass das Werk jetzt fast wie ein Concerto grosso erklingt, von denen der Jahrgänger Bachs, Georg Friedrich Händel, mehrere verfasst hat, da er in London wie ich in St.Gallen über ungleich viel mehr Streicher verfügte als Bach in Leipzig.
Nach der Pause eröffnen wir den 2. Teil mit der Ouvertüre «Abu Hassan» von Carl Maria von Weber, seines Zeichens ein Cousin von Constanze Mozart-Weber. Das Werk steht ganz in der Tradition der damals gängigen Türkenopern. Mit einigen schrägen Tönen versuchte man, das orientalische Klima in die deutschen Theater zu verpflanzen.
Mit der «Valse triste» von Jean Sibelius, die dem Stempel («Verein junger Musikfreunde St.Gallen») nach zu urteilen zu den ältesten Noten im Archiv zählt, bieten wir Ihnen ein echtes «Encore» an, eines jener Stücke also, die reisende Sinfonieorchester gerne als Zugabe spielen.
Und zum Schluss kommen Sie in den Genuss einer wahren Trouvaille, die ich vor dem Stöbern nicht kannte. Erst Wikipedia verriet mir, dass Alexandre Luigini Italiener war, die meiste Zeit seines Lebens als Kapellmeister am Theater von Lyon tätig war und das «Ballet égyptien» 1875 für das dortige Ballettensemble als Einlage zur Oper «Aida» von Giuseppe Verdi komponierte. Sie werden in eine orientalische Welt versetzt, in der die Tänzerinnen ihre Beine nur mit durchsichtigen Schleiern verhüllten und damit das damalige Publikum von den Sitzen rissen.