Als vor zwei Jahren Vladyslava Luchenko mit uns so erfolgreich das Violinkonzert von Max Bruch musizierte, lud ich sie gleich nach dem Konzert ein, nochmals bei uns aufzutreten, und zwar mit dem Violinkonzert von Peter Iljitsch Tschaikowsky – Sie wissen schon: Russin spielt Russen! Zwar stammt Vladyslava Luchenko aus Kiew, der Hauptstadt der Ukraine und ist somit keine Russin. Aber sie besitzt natürlich das slawische Feuer, das wir beim letzten Mal so an ihr genossen haben.
Fast im gleichen Atemzug hatte sie aber noch einen zweiten Wunsch: Sie hätte gerne auch einmal das a-Moll Violinkonzert von Johann Sebastian Bach gespielt. Sollte ich ihr diesen Wunsch mit einem dritten Auftritt erfüllen? Das wäre schwierig gewesen, weil unser Jubiläumsjahr vor der Tür steht...
So dachte ich mir, dass es auch reizvoll sein könnte, zu Beginn das Konzert von Bach zu spielen. Da ist nämlich die barocke Urform des Solokonzerts mit dem dreisätzigen Aufbau in der Abfolge schnell-langsam-schnell ganz gut zu erkennen.
Im Gegensatz dazu am Schluss des Abends das Konzert aus der Romantik. Unglaublich, wie sich die gleiche Form entwickelt hat! Der dreisätzige Aufbau hat sich gehalten, aber der Orchesterapparat ist nun viel grösser und dadurch auch viel lauter, die Dauer des Stückes hat sich mehr als verdoppelt und die technischen Schwierigkeiten auf dem Soloinstrument sind so horrend, dass das Werk anfänglich für unspielbar gehalten wurde und die Uraufführung deshalb zwei Jahre auf sich warten liess. Die fröhliche Stimmung in diesem Konzert kommt sicher daher, dass es in der Schweiz am Genfersee komponiert wurde.
Die Klammer war gesetzt, es fehlte aber noch etwas, das diese beiden Konzerte programmatisch zusammenhält. Ich erinnerte mich an die „Suite im alten Stil“ von Max Reger: Auch hier finden wir das dreisätzige Modell schnell-langsam-schnell, das Thema des ersten Satzes unzweifelhaft vom 3. Brandenburgischen Konzert Bachs inspiriert und der letzte Satz ähnlich wie der letzte Satz des Bachkonzertes als Fuge konzipiert. Daneben aber wieder reichlich Romantisches wie bei Tschaikowsky: Ein grosses Orchester mit vielen Bläsern, der langsame Satz erinnert eher an die Holbergsuite des norwegischen Romantikers Edvard Grieg und die Fuge ist kompliziert als Doppelfuge konzipiert und beginnt ganz im romantischen Sinn mit drei ppp und endet mit drei fff – dabei bleibt auch hier die Dreiteiligkeit gewahrt. Zuerst wird das erste tänzerische Thema allein vorgestellt, dann folgt die Exposition des zweiten ruhigen und chromatischen Themas und schliesslich vereinen sich beide Themen zum grandiosen Schluss.