25. Juni 2009

Tonhalle St. Gallen

Naturhorn

Friedrich Witt 1771–1836

Sinfonie in C-Dur «Jenaer Sinfonie» (ehemals Beethoven zugeschrieben)

Adagio | Allegro vivace – Andante cantabile – Menuetto – Finale Allegro

Franz Schubert 1797–1828

Ouvertüre in D D 556

Allegro maestoso – Andante sostenuto – Allegro vivace

Carl Maria von Weber 1786–1826

Concertino für Horn und Orchester Op. 45

Andante con moto – Polacca

Felix Mendelssohn-Bartholdy 1809–1847

Konzert-Ouvertüre «Die Hebriden» (Fingalshöhle) Op. 26

Allegro moderato

Am 11. 11. 1911 (es war kein Faschingsscherz!) veröffentlichte der deutsche Dirigent und Musikwissenschaftler Fritz Stein eine bis anhin unbekannte Jugendsinfonie Beethovens. In einem Notenarchiv in Jena war er auf einen handschriftlichen Stimmensatz gestossen, bei dem die 2. Violinstimme den Vermerk trug: „Par Louis van Beethoven“. Eifrig machte sich Fritz Stein auf, auch innere Gründe für die Autorschaft Beethovens zu finden, wobei er sogar von Partien sprach, die „die Klaue des Löwen verraten“. In den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts fand dann der amerikanische Musikgelehrte H.C.Robbins Landon in deutschen und österreichischen Archiven Hinweise, die eindeutig die Autorschaft von Friedrich Witt, einem Zeitgenossen Beethovens, belegen. Die Sinfonie, die Sie jetzt am heutigen Abend vernehmen, verdankt also ihre Berühmtheit einem historischen Irrtum.

Franz Schuberts Ouvertüre in D stammt aus der gleichen Zeit, in der der Komponist auch sein berühmtes Lied „Die Forelle“ geschaffen hat. Es ist nicht zu überhören, dass Schubert eine ausgesprochene Vorliebe für liedhafte Themen hatte. Dem Werk war das Schicksal vieler Kompositionen Schuberts beschieden: Es verschwand in der Versenkung und wurde erst 1886 zum ersten Mal gedruckt.

Die letzten beiden Werke unseres Konzertabends haben wieder einmal mit meiner persönlichen Befindlichkeit zu tun:
Zum einen bin ich mächtig stolz, dass wir Ihnen mit Jurij Meile einen Musikfreund vorstellen dürfen, der es aus unserm Orchester bis zur Solistenlaufbahn geschafft hat. Da er sich in letzter Zeit vor allem dem Naturhorn verschrieben hat, einem Instrument, das keine Ventile besitzt und nur mit der Lippenspannung bedient wird, spielt er uns das frühromantische Concertino von Carl Maria von Weber, einem Cousin von Constanze Mozart, gleich auf diesem selten zu hörenden Instrument vor.

Zum Zweiten spielte das Orchester der Musikfreunde, als ich es in meiner Jugend zum ersten Mal hörte, die „Hebriden“ von Felix Mendelssohn. Seither gehört diese Musik zu meinen Lieblingen und ich freue mich ausserordentlich, dass ich sie mit meinem Orchester wieder aufführen darf. Mendelssohn schildert darin sehr anschaulich seine Eindrücke anlässlich eines Besuchs der Hebriden, einer Inselgruppe im Atlantik westlich von Schottland und der auf einer dieser Inseln gelegenen und nach dem keltischen Sagenkönig Fingal benannten Fingalshöhle. Mendelssohn bezeichnet das Werk zwar als Konzert-Ouvertüre, es passt aber auch ausgezeichnet zum Ende eines Konzertabends, den zu geniessen ich Sie wie jedes Mal nicht bitten muss.

Naturhorn

Jurij Meile

Jurij Meile

Jurij Meile wurde im süditalienischen Bari geboren und wuchs in St. Gallen auf. Erst mit fast 18 Jahren erhielt er hier seinen ersten Hornunterricht bei David Lintz. Die ersten Orchesterabenteuer erlebte er an der Kantonsschule am Burggraben unter Robert Jud und in der Jugendsinfonietta unter Michael Schläpfer. Schon bald begann er im Orchester der Musikfreunde mitzuspielen.

Nach der Griechisch-Matura an der Kantonsschule studierte er an der Universität Zürich Osteuropäische Geschichte und Russisch und besuchte die Vorberufsschule des Konservatoriums Zürich. Nach 2 Jahren brach er das Studium zugunsten der Musik ab und studierte Horn am Conservatorio „Niccolò Piccini“ in Bari bei Pietro Palmisano und an der vatikanischen Musikschule in Rom bei Luciano Giuliani. 2003 war er Mitglied und Stipendiat der Orchesterschule (APM Saluzzo) des „Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI“, sodann der „Accademia del Teatro alla Scala“ in Mailand. Dank eines Förderstipendiums der „Amici della Scala“ konnte er sich in Oslo bei Froydis Ree-Wekre weiterbilden.
Von 2004 bis 2008 studierte er Naturhorn an der Schola Cantorum Basiliensis bei Thomas Müller. Zudem besuchte er die Seminare an der Accademia di Musica Antica in Mailand bei Ermes Pecchini.

Er unterrichtet an der Allgemeinen Musikschule des Conservatorio della Svizzera Italiana in Bellinzona, Lugano und Locarno und besucht den Master Musikpädagogik in Bern.
Jurij spielte bereits als Zuzüger in verschiedenen Orchestern in der Schweiz und vor allem in Italien. Aufgrund seiner Begeisterung für alte Instrumente und deren Klang, seiner Experimentierfreude, Routine-Scheu und Lust zum Risiko spielt er heute vornehmlich auf dem Naturhorn.

Er ist Mitglied des Solistenensembles Kaleidoskop Berlin und arbeitet mit Ensembles wie Amsterdam Baroque Orchestra, New Dutch Academy, Haydn Sinfonietta Wien, Chapelle Rhénane Strasbourg, Capriccio Basel und anderen zusammen.